November 14

mexico

ich fliege nach mexico und besuche einen freund aus düsseldorf, der das gerade mit einem auslandsaufenthalt studiert. erkundungen der mega-stadt, besuch von museen, gay-bars, einer modenschau und der bestreikten universidat national autonomia de mexico (unam). ein ausflug nach puebla rundet das programm ab.

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der flug von chicago nach mexico ist überraschend kurz. schon nach zwei stunden sehe ich den golf von mexico und nach etwas mehr als drei stunden ist das flugzeug über mexico city. und dann fliegt es immer weiter über straßen und häuser, parks und fabriken, stadt. nach einer knappen halben stunde ist das flugzeug gelandet. eine halbe stunde vor der planmäßigen ladezeit. aber wir müssen auch noch 20 minuten auf dem rollfeld warten bis ein gate frei ist. die einreise in mexico mit der touristen-karte, die ich bereits auf dem flug ausgefüllt hatte, ist ziemlich unproblematisch. keine fragen, stempel, fertig. beim zoll muß das ganze gepäck nochmal durch eine durchleuchtung und ob es noch weiter durchsucht wird entscheidet dann ein zufallsgenerator. nach dem druck auf einen knopf leuchtet eine ampel entweder grün oder rot. leuchtet sie rot, so wird das gepäck durchsucht, leuchtet sie grün, dann nicht. bei mir leuchtet sie grün und so komme ich zügig heraus wo mein freund mich schon erwartet.

wir laufen einmal durch das ganze flughafengebäude, das allerdings lange nicht so groß ist wie die gebäude in chicago, und steigen in die metro. die metrostationen hier sind viel weitläufiger als in den usa, große gänge, treppen, bahnsteige. jede linie hat eine farbe und eine nummer. in der farbe sind auch die stationen, die hinweisschilder auf der straße und die linien auf den metroplänen angemalt bzw. gedruckt. jede station hat einen namen und ein symbol, das mit dem namen assoziert werden kann: ein fahrrad bei der „velódromo“ (radrennbahn) oder eine mexicanische flagge bei der „patriotismos“. wir fahren zur station centro medico in die nähe des appartments. vor der türe steht ein „hauswart“ der aufpasst, wer ins haus geht. trotzdem muß die haustüre aufgeschlossen und von innen wieder abgeschlossen werden!

nachdem ich meine sachen ausgepackt habe fahren wir mit einem minibus zur zona rosa. diese busse sind etwas größere transporter mit ca. 15 plätzen die überall halten, wo jemand am straßenrand den arm ausstreckt. die fahrt kostet 3 pesos (ca. 55 pfennig), die metro kostet sogar nur die hälfte.

als den „goldenen käfig“ hat er die zona rosa bezeichnet. viele cafes, discos, hotels, banken. straßenstände an denen tacos und touristInnenkitsch verkauft werden, … ich laufe zunächst am rande der zona rosa ein stück die insurgentes entlang, die längste straße die sich kilometerweit durch die stadt zieht, bis zum „cuauhtémoc monumet“, einer skulptur vor einem recht futuristischen bürogebäude.

von dort laufe ich die paseo de la reform ein stück zurück nach westen und dann wieder in die zona rosa hinein. überall vor den banken und größeren geschäften stehen hier mit gewehren oder kleinen mp’s bewaffnete guards und überhaupt gibt es ziemlich viele, ebenfall relativ schwer bewaffnete polizisten auf der straße. alle polizisten, auch wenn sie nur auf einer kreuzung den verkehr regeln, tragen kugelsichere westen.

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ich setze mich ins „blah blah cafe“. mein freund meinte, das wäre vielleicht ein schwulencafe, es gäbe hier auf jeden fall immer viele männerpaare und als er das letzte mal mit einem langhaarigen blonden freund hier gewesen sei, hätte der hier viel aufmerksamkeit erregt. ich denke, das cafe ist eher gemischt, aber offensichtlich verkehren hier auch schwule. danach gehen wir bei vips essen, einer mexicanischen restaurant-kette mit angeschlossenen supermarkt, apotheke, … das mexicanische essen gefällt mir ganz gut. hähnchenfleich mit gemüse und scharfen sosen auf dünnen brotfladen.

aber es ist doch nicht so warm, wie ich erwartet hatte, jetzt am abend ist es eher kühl und ich bin zu dünn angezogen. ausserdem wird mein husten – wie jeden abend – wieder schlimmer und so gehen wir früh nach hauses.

beim frühstück quatschen wir zu lange und brechen zu spät auf um ins zentrum zu fahren und eine bekannte zu treffen. aber hier in mexico sei es normal, zu spät zu kommen und in dieser riesigen stadt, wo er mehr zeit als irgendwo sonst in bussen und metro verbringe, auch gar nicht anders möglich, meint mein freund.

eine halbe stunde später als verabredet, um halb eins steigen wir am hidalgo aus der metro. reiseführer warnen vor dieser station, hier solle man nicht aussteigen, nicht umsteigen und auch beim durchfahren gut aufpassen wegen der räuber und taschendiebe. wir steigen aus, fahren noch eine station mit einer anderen metro und treffen uns am „bellas artes“.

wir laufen durch das historische zentrum zum zócalo, dem großen zentralen platz der innenstadt. auch hier wieder viele straßenstände mit essen, büchern und kitsch. ausserdem gibt es hier – wie auch in der zona rosa – überall schuhputzstände.

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auf dem zócalo gibt es verschiedene stände der mexicanischen parteien da gerade wahlkampf ist. zum ersten mal soll der mexicanische präsident (frauen kandidieren glaube ich keine) direkt gewählt werden. an einem stand der prd (partida de la revolution democratico) – heute die mexicanischen sozialdemokraten meinen die beiden – gibt es auch ezln- und zapato-sticker. in der mitte des platzes wirbt eine partei dafür, dass mexicanische bauern mexicanische autos und traktoren statt us-amerikanische fahren sollen. am stand einer anderen partei sitzen die campensinos direkt unter einem zelt um zu demonstrieren dass sie die politik der partei begrüßen. vielleicht sind sie aber auch bestochen worden um dort zu sitzen. aber von den vielen passantInnnen auf dem zócalo interessieren sich ohnehin nur wenige für die parteien.

im südosten ist der zócalo eingegrenzt von öffentlichen gebäuden (regierung, oberster gerichtshof, nationalpalast, …) und im norden steht die „metropolitian cathedral“ in die wir nur kurz hineinschauen. die kathedrale wurde von den spanischen eroberern bewusst auf den aztekischen „templo mayor“ draufgebaut. etwas nordöstlich der kathedrale gibt es aber noch reste des tempels in einer archäologischen ausgrabungsstätte.

daneben, im college of san idelfonso ist gerade eine maya-ausstellung. dienstags ist der eintritt frei und so schauen wir uns ein wenig um. auch hier wieder steine die mit vielfältigen symbolen versehen sind, kleine statuen, kannen und schüsseln, … was hier schon auffällt ist, dass die geschichte vor der eroberung durch spanien hier eine weit größere rolle spielt, als die zeit vor der weißen besiedelung in den usa.

nach dem besuch der maya-ausstellung lassen essen wir in einem kleinen mexicanischen restaurant. ich esse das tagesmenü, eine hühnersuppe, paprikareis und hähnchen in cremsose und viel brot für 27 pesos (ca. 4,50 dm).  auch hier gibt es wieder leckere scharfe sosen zum würzen.

danach laufen wir durch den alameda park, östlich des historischen zentrums. auch hier im park gibt es wieder viele verkaufsstände. der park besteht aus sehr vielen parallel und schrägzueinander laufenden wegen und die kleinen dreiecke dazwischen sind jeweils mit niederigen hecken eingegrenzte wiesen mit ein paar bäumen. dazwischen gibt es viele bänke und die luft ist hier, zwischen den bäumen und hecken, auch schon etwas besser als auf den überfüllten straßen.

in der metrostation hidalgo nehmen wir wieder die metro und fahren nach coyoacán, dem „künstlerviertel“. als wir aus der metrostation coyoacán aussteigen sehen wir allerdings erstmal nur große betonklötze mit banken und ähnlichem. wir laufen ein stück nach osten und kommen zu einem großen schwarzen betongebäude mit der aufschrift „cinematec national“. ein großes kino in dem gerade eine „deutsche woche“ stattfindet. 23 ist leider schon gelaufen aber auch heute und morgen gibt es deutsche filme mit spanischen untertiteln.

aber wir laufen erstmal weiter und nehmen wieder einen minibus um ins centrum von coyoacán zu fahren. in diesem stadtteil hat trotzki seine letzten jahre verbracht und hier ist er auch ermordet worden. auch hier wieder cafes, kunsthandwerk, straßenstände. aber die atmosphere gefällt mir besser als in der zona rosa oder im zentrum. alles ist nicht ganz so touristisch und es laufen auch einige etwas freakigere menschen herum, einige hübsche männer mit langen dunklen haaren, …

wir setzen uns mit einem becher kaffee in den garten eines kuturzentrums in dem ausstellungen und konzerte stattfinden. auch hier wieder bewaffnete guards am eingang, aber der garten ist schön angelegt mit bäumen, bänken zum hinsetzen und relaxen, …

später treffen wir einen mexicanischen freund und gehen mit ihm nochmal in ein kaffee. er redet in einem fort und es scheint, sein leben besteht zu einem großen teil aus party. er kennt sich gut aus im nightlife von mexico city und wir verabreden und für morgen abend zu einer tour durch gay-läden. er sagt, in den letzten fünf jahren habe sich hier eine sehr große schwule szene entwickelt und es gäbe nun sehr viele möglichkeiten. es gäbe eher intellektuelle cafes, schwules cabarett und ähnliches wo es auch einen bezug zum „gay movement“ gäbe und es gäbe auch die chicen und teueren läden.

nach dem cafe fahren wir mit einem taxi zurück zum kino. die taxis sind hier meistens grüne vw-käfer mit ausgebauten beifahrerInnensitz so das die fahrgäste sich schnell auf die rückbank setzen können. in den reiseführer wird vor den taxis gewarnt weil touristInnen immer wieder ausgeraubt werden und simon meint nachts solle ich sie alleine besser nicht benutzen. aber jetzt zu dritt ist es ganz ok und so schaffen wir es pünktlich zum film „herr zwilling und frau zuckermann“.

der film ist die dokumentation des jüdischen lebens in einer stadt, die früher zu österreich gehört hat, im zweiten weltkrieg von deutschland und rumänien besetzt war und nun zur ukraine gehört. dort leben herr zwilling und frau zuckermann und erzählen aus ihrem bewegten leben, von der verfolgung im faschismus, gettho, von der deportation der meisten juden, vom leben nach dem krieg, … der film dauert zwei stunden, immer wieder gibt es lange einstellungen aus dem jüdischen leben in der stadt, gottesdienste, unterricht für die kinder, sprechstunde im hospital, … der film strengt an, es fehlt der rote faden, aber er gewinnt dadurch auch an intensität.

am nächsten tag fahren wir mit einem minibus über die paseo de la reforma zum chapultepec park in dem es viele museen, vergnügungsparks und einen zoo gibt. wir steigen in der mitte des parks aus und laufen auf dem mittelstreifen der paseo de la reforma zurück. auf dem mittelstreifen sind skulpturen verschiedener künstlerInnen ausgestellt so dass wir hier zwischen den vorbeirauschenden autos auf der großen allee durch eine ausstellung gehen.

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wir laufen bis zum museo de arte moderno. ich zahle 15 peso (ca. 2,70 mark), mein freund kann mit seinem mexicanischen studiausweis umsonst rein. das museeum zeigt, anders als die musem of modern art in new york und san francisco, die werke mexicanischer künstlerInnen. aber auch in mexico sind die wichtigen stilrichtungen der moderne so etwa bis in die 50er jahre vertreten.

relative viele bilder gibt es von frida kahlo (1907 bis 1954). die bilder erinnern ein wenig an einige bilder von dáli. relativ realistische malerei mit surrealen elementen. zum beispiel in dem bild „las dos fridas“ von 1939 stellt die künstlerin sich selbst in verschiedenen identitäten dar. zwei frauen sitzen nebeneinander, eine ist für die 30er jahre eher locker gekleidet mit einfacher bluse und rock, die andere trägt ein weißes kleid mit aufwendigen spitzen. beide frauen habe einen teil eines menschlichen herzens vor der brust hängen. die beiden herzen sind durch eine rote arterie miteinander verbunden, wobei die locker gekleidete frau am ende der vene ein ein bild von einem kleinen jungen mit dem namen „diego“ trägt während die frau im weißen kleid mit einer medizischen klammer das andere ende der vene zu hält, aus der schon einiges auf hier weißes kleid getropft ist.

mein freund muß zu einem seminar und ich schaue mich noch ein wenig im museeum um und laufe dann durch den park zum berühmten museo national de antropología, das simon mir sehr empfohlen hat. das museeum ist groß und berühmt und kostet daher 25 pesos (ca. 4,50 mark).  interessant ist die architektur des neubaus. der gebäudekomplex ist wieder sehr grossräumig mit viel freiem raum angelegt. durch die große eingangshalle komme ich zunächst in einen sehr großen hof. in der mitte ein ca. 100 * 100 meter großes dach das frei auf einer säule steht, um die herum ein künstlicher wasserfall feuchtigkeit spendet.

im hof sammeln sich gerade ein paar museeumswärter die dann auf das kommando ihres anführers im stechschritt rechtwinklig aus dem hof herausmmarschieren. schöner feierabend.

im ersten ausstellungsraum gibt es sowas wie eine allgemeine einführung. zum beispiel werden die verschiedenen „grupos sanguineos“ (gruppen verschiedenen blutes) der welt vorgestellt. der europäische mann im anzug, der afrikaner mit speer und lendenschutz, …

in den weiteren räumen ist das museum nach den verschiedenen völker aufgeteilt, die vor der spanischen eroberung in mexico gelebt haben. in den räumen gibt es dann ärcheologische funde, bunte wandmalereien, modelle und steinbrocken von pyramiden und anderen gebäuden, … in einer reproduktion des „templo de quetzalcoaltl“ ist die ecke eines gebäudes zu sehen wie sie einmal ausgesehen haben soll. steine und figuren in einem blassen rot und grün und fratzen wie sie auch am templo mayor am zócalo zu erahnen waren. große augen, stupsnasen und große mäuler mit schweren zähnen, fast wie ein bedrohlicher drachenkopf. und einzeln, zebrochen und farblos gibt es die fratzen auch im original.

vom museum laufe ich dann weiter auf der paseo de la reforma durch den park bis zur metrostation „auditorium“ und fahre zurück zum appartment.

später treffe wir und dann mit dem mexicanischen freund in der zona rosa. kurz schauen wir in eine gaybar auf der londres. sie ist noch ziemlich leer, nur ein paar sehr junge mexicaner stehen in der mitte, auf monitoren laufen musikvideos, … die atmosphere unterscheidet sich nicht grundlegend von der atmosphere in us-amerikanischen gay-bars.

später fahren wir mit dem auto zu einer modenschau die heute in condesa stattfindet, müssen aber noch warten, bis der einlaß beginnt. ich blättere in “sergay”, dem nationalen mexicanischen gay magazin. es gibt einige theaterstücke die hier besprochen werden, berichte aus der schwulen szene mexico citys, anzeigen diverser discos, clubs und callboys, einen veranstaltungskalender mit einem knappen dutzend dates an jedem tag und einem guide mit gay und lesbian bars in mexico city und im ganzen land. unter den 26 einträgen der metropole gibt es sogar ein “centro cultural de la diversidad sexual”.

so etwa um 23.00 uhr beginnt der einlaß. alle besucherInnen werden durchsucht. das ganze findet in einer bar statt, mit nur einigen wenigen tischen und stühlen, mehreren theken und barhockern. der raum füllt sich nur langsam, die tische in der mitte mit gutem blick auf den laufsteg sind reserviert und leer. sehr chice männer und frauen füllen den raum, auch schwule und lesben sind dabei.

eine kleine gruppe von animateurInnen werben für den jamaicanischen rum, der das event sponsort, eine gruppe von drag queens wirbt für ihre show. es ist eine nette atmosphere hier, aber es dauert bis nach 1 uhr bis die show beginnt. die klamotten die vorgeführt werden sind extravagant und teilweise recht sexy.

die models sind etwas steif und von den männern sehen nur zwei ganz gut aus. einer der beiden hat langes blondes haar – ist aber vielleicht auch nur ein aufgestecktes haarteil – die recht kunstvoll drappiert sind. ein freund des mexicanischen freunds hat hier das make up und hair design gestaltet. nach der show fahren wir, relativ müde, mit einem grünen taxi nach hause.

am donnerstag machen wir uns nach dem frühstück auf den weg zum bus terminal bei der metro station san lázaro um nach puebla zu fahren. eine stadt, etwa 100 km südlich von mexico city wo mein freund heute abend ein seminar besucht.

der bus fährt  über die autobahn vobei an den ärmeren vierteln am rande der stadt. die häuser sind hier relativ kaputt, teilweise bestehen sie auch nur aus einzelnen mauern. die straßen bestehen aus schotter. aber sehr viele häuser haben trotzdem die mexicanische flagge auf dem dach. auf dem land habe die regierungspartei, die partido revolucionario institutional  (pri) die meisten stimmen, sagt mein freund, weil die stimmen hier regelrecht gekauft würden.

später fahren wir über die berge die mexico city umgeben und danach wird das wetter klarer, die sonne scheint und wir fahren durch das mexicanische hochland.

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die busstation von puebla liegt etwas ausserhalb und ist auch recht gross. wir laufen  durch große wartesäle mit ticketverkauf und vielen läden zur hauptstraße ins zentrum. hier verkehren kleine vw-busse, der fahrer öffnet die schiebetüre von vorne mit einem hebel. zehn bis zwölf leute fahen mit so einem bus, der – wie die minibusse in mexico city – hält wo jemand die hand ausstreckt oder aussteigen will.

wieder fahren wir durch ärmere vorstädte, breite straßen, häuser mit maximal zwei stockwerken, erinnert mich an teile von los angelos. im zentrum verändert sich die architektur, der spanische einfluss in der ‚kolonialstadt‘ puebla wird deutlicher. im zentrum steigen wir aus und essen in einem kleinen, zur straße hin offenen imbiss mit drei tischen. mein freund empfiehlt mir milaneza (eine torta, das ist ein brötchen mit fleich, kleingehackten dunklen bohnen, frischkäse, zwiebeln, paprika, tomate, avokadocreme und chilli. trotz der bohnen schmeckt mir dieser “mexicanische hamburger” ausgesprochen gut und ich bestelle gleich einen zweiten. dazu trinken wir frisch gepressten orangensaft. die orangen frisch zu pressen ist für die leute hier billiger als orangensaft zu kaufen. gut für uns.

nach diesem excellenten essen laufen wir zum zócalo von puebla. hier ist die mitte des platzes wie der alameda park mit bäumen und sich kreuzenden spazierwegen gestaltet. neben dem zócalo steht – wie könnte es anders sein in einer spanischen ‚kolonialstadt‘ – eine kathedrale.

ein schuljunge spricht meinen freund an, ob er ihn auf englisch interviewen dürfte. er fragt wo er herkommt, wie ihm mexico und puebla gefallen, welche sportart in seinem heimatland die beliebteste ist, … es ist ein interview für die schule, was hier wohl recht häufig vorkommt.

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vom zócalo laufen wir noch ein wenig durch die altstadt und dann zum soziologischen institut der uni puebla, das mitten in der altstadt in einem schönen spanischen gebäude liegt. durch das tor kommen wir in den ruhigen innenhof, links ist eine kleine bibliothek, oben sind die seminarräume. hier diskutiert simon im hause der eroberer das verhältniss von subjekt und objekt.

da das seminar in spanisch abgehalten wird, laufe ich noch ein wenig durch die stadt. ein stück weiter ist ein kleiner kunstmarkt wo in vielen kleinen läden allerlei kitsch und kunsthandwerk feilgeboten wird.

ich kaufe ein hübsches kleines skelett. ein stück weiter sind in den läden – teilweise recht schöne – gemälde ausgestellt. dazu gibt es cafés, wie das “café del artiste” und andere.

nach dem kunstmarkt gehe ich zum zócalo, setzte mich vor das straßencafé mae’s und trinke café americán. wenn ich hier hinter den arkaden sitze und den dichten verkehr beobachte, die vorbeilaufenden passantInnen, könnte ich mir auch vorstellen, in einer europäischen stadt zu sitzen. allerdings kommen hier immer wieder kinder, die süßigkeiten oder irgendeinen schnickschnak verkaufen wollen.

millionen von mexikanerInnen verdienen ihren lebensunterhalt mit diesen fliegenden ständen, schreibt medico international in mexico bárbaro. „Hier geht es ums Überleben, um Kinderarbeit, Korruption, blutige Strassenschlachten rivalisierender Organisationen und um Erlaubnisscheine, die das Parteietablishment gegen Wählerstimmen ausgibt.“

in der mexico bárbaro lese ich weiter, dass hier in puebla die 1973 gegründete „Union Popular de Vendedores Ambulantes – 28 de Octubre (UPVA)“ für die rechte der straßenhändlerinnen und -händler kämpfte. allerdings wurde ihre zeitweise recht grosse macht ende der 80er jahre durch die verhaftung und verurteilung  führender mitglieder wegen angeblicher „krimineller umtriebe“ deutlich geschwächt. trotzdem versucht die UPVA auch heute noch die lebens- und arbeitsbedingungen der straßenhändlerinnen und -händler zu verbessern. (medico international (Hg.): Mexico Bárbaro, Frankfurt am Main 1998, S. 4)

die autos, die auf den straßen rund um den zócalo unterwegs sind, stehen mehr als das sie fahren. dafür hupen sie laut und viel.

polizeiwagen fahren grundsätzlich mit blau-rot blinkenden licht auf dem dach, aber das hilft ihnen auch nicht viel. ein pickup von „Aztech TU“ hält und der fahrer filmt den stau. es gefällt mir hier zu sitzen und den verkehr und die vorbeifahrenden menschen zu beobachten. ich bleibe hier und lese noch ein wenig.

um 20.30 uhr gehen wir dann noch in ein anderes cafe, wo die seminargruppe sitzt. wir trinken vodka-orange, der hier mit frischem orangensaft zubereitet wird, excellent schmeckt und nur 10 pesos (ca. 1,80 dm) kostet. die leute aus dem seminar sind schon älter. der prof., john holloway, kommt aus irland, lebt jetzt hier in mexico und lehrt an der uni in puebla. ein ruhiger, grauhaariger, zurückhaltender mann der aufmerksam zuhört. die mexikanerInnen sind ausgelassen, lachen und reden viel und trinken einen vodka-orange nach dem anderen.

einer der studis aus dem seminar fährt uns noch zum busterminal. er würde uns gerne noch in eine pianobar einladen, aber es ist schon spät und deshalb winken wir ab.

erst kurz vor zwölf sind wir wieder in der hauptstadt und bekommen gerade noch die letzte metro die bis zur zona rosa fährt, von wo aus wir ein taxi nach hause nehmen. mein freund meint, wir sollten im taxi lieber nicht deutsch sprechen, damit der fahrer nicht meint, das sind ausländer, die kann ich bescheißen oder ausrauben.

am freitag fahren wir zunächst zum bus-terminal sur. gleich am anfang der metro-fahrt steigen zwei studentInnen ein, die über den studentInnenstreik informieren und zeitungen verkaufen. später kommen immer wieder leute in den wagen, die süßigkeiten, batterien und anderes mehr verkaufen. eine frau mit einem kind auf dem arm singt für ein paar pesos, ein blinder mann spielt mundharmonika.

im bus-terminal sur gibt es wieder viele kleine stände, die essen, klamotten und anderes verkaufen. zum bus-terminal müssen wir durch diesen kleinen „markt“ hindurch. im terminal kaufen wir fahrkarten nach acapulco, wo wir heute nacht hinfahren wollen. die hinfahrt im standard-bus „crucero“ kostet 210 pesos (ca 38 mark). für die rückfahrt am sonntag abend ist der „crucero“ schon sehr voll und wir nehmen den super-luxus-bus „oriente“ für 305 pesos (ca. 55 mark).

weiter fahren wir mit dem bus zur „ciudad universitaria“. da die „universidat national autonomia de mexico“ (unam) so groß ist, ist der ganze stadtteil nach ihr benannt. da die unam bestreikt wird ist auf dem campus nicht sehr viel los. seit sieben monaten streiken die studentInnen hier vor allem gegen die einführung von studiengebühren. da ein großer teil der mexicanischen studentInnen an der unam studieren und auch die forschung hier sehr zentriert ist, ist ein streik hier auch relativ wirkungsvoll. als der streik am anfang des letzten semesters begann, solidarisierten sich sofort ca. 300.000 der ca. 400.000 studentInnen an der unam. die einführung der studiengebühren ist ein teil der allgemeinen neoliberalen politik der mexicanischen regierung und steht im kontext der privatisierung des gesundheitswesens, der rentenversicherung und anderer öffentlicher bereiche. überall wird es für die menschen teurer und die ärmsten können sich beispielsweise bildung und gesundheit gar nicht leisten.

der streik ist auch ein streik gegen diese politik. auf dem campus wird die politisierung der studentInnen auch an zahlreichen graffitys deutlich. an einem institutsgebäude weht neben transparenten mit politischen forderungen eine schwarz-rote fahne und einen großen hörsaal der philosophie haben die studentInnen in „auditorio che guevara“ umbenannt.

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mein freund meint, dass besondere an der unam während des richtigen studienbetriebes sei auch, dass es sehr viele kulturelle angebote auf dem campus gäbe, musik, theater, kino und dass die ciudat universitaria dann tatsächlich eine interessante kleine stadt sei.

der universität gehörte auch ein theater im chapultepec-park, in dem die gruppe „cleta“ ein politisches programm gestaltete um mit theater, tanz und musik gegen die herrschenden verhältnisse anzuspielen. als sie sich allerdings anfang 1996 – einem aufruf der ezln folgend – zur befreiten zone erklärte, schützte sie auch die autonomie der unam nicht mehr. in einer überraschungsaktion ließt die regierungspartei in der stadt und im land, die pri das theater von der polizei räumen und bis auf den letzten stein abtragen.

am rande der unam essen wir in einem kleinen restaurant, das von einem sympathischen schwulen geführt wird, lasagne. der besitzer klagt darüber, dass sein restaurant wegen des streikes schlecht läuft. er fordert meinen freund auf, doch öfter herzukommen und erzählt, dass er auch schon einige jahre in den usa gelebt habe, in san francisco, boston und anderen städten.

nach dem essen fahren wir mit dem bus zum „college de mexico“ (comex), einer kleinen elite-uni im süden mein freund ein weiteres seminar besucht, für das ihm seine uni in edinburgh eine seminargebühr von 500 $ bezahlt. die uni ist gut bewacht, ich muß mich in eine liste eintragen und bekomme einen gästeausweis um das gebäude zu betreten. sie liegt auch in einer sehr reichen gegend der stadt, schon die busfahrt hierher führte uns an villen und größeren, eingezäunten anwesen vorbei.



thomas molck

Veröffentlicht14. November 1999 von xthomas in Kategorie "mx mexcio city

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