helsinki
ich laufe durch die finnische hauptstadt und die vorgelagerte insel suomenlinna, besuche museen und buche noch eine kleine kreuzfahrt weiter nach osten.
dias von der nordsee und skandinavien im sommer 1993 bei flickr >>
in helsinki sitze ich in einer bar auf einem alten schiff. vor einem dreivierteljahr habe ich schon mal hier gesessen, auf unserem ‚helsinki-ausflug‘ beim meeting des european student information bureaus (esib). heute wie damals war ich auf suomenlinna, einer kleinen inselfestung vor der stadt, von wo aus mensch das offene mehr sieht. das gibt es in stockholm und oslo nicht. auch nicht so viele großfähren. von hier geht es auf der einen seite nach stockholm, anderen schwedischen häfen und nach travemünde, auf der anderenseite gibt es aber auch jetzt viele verbindungen zur ehemaligen sowjetunion, nach tallinin in estland, st. petersburg (leningrad) in russland, etc..
in der billigsten kabine kostet eine drei-tage tour mit vollverpflegung und zwei tagen in leningrad nur hundert mark. visumsfrei. ich will montag versuchen das zu buchen. nicht in den hohen norden, mehr nach osten, große stadt, ehemals vermeintlich realer sozialismus, ich habe lust auf leningrad.
suomenlinna war, bei strahlender sonne und blauem himmel noch besser als bei meinem letzten besuch. insel, festung, offene see, starker wind, wellen, kaffee, einfach gut. auf der ehemaligen seefestung gibt es jetzt museen, galerien, das büro des nordischen kunstzentrums, …
irgendwo in den ruinen wurde eine band gefilmt, eine malerin brachte die gemäuer auf leinwand. überall gitb es gänge, treppen ins dunkle, wo mensch durchgehen kann, sie erkunden, spielen, … ein paar cafés, museen, gut.
als ich im november letzten jahres hier war, hingen meine gedanken sehr eng an den hochschulpolitischen ereignissen. durch die lange anfahrt (ein tag in zug) und die rückfahrt mit der finnjet (ein tag schiff und noch ein halber tag zug) sowie beim meeting des europischen studentInnenverbands esib, wo ich als ‚konsument‘ auch sehr viel mehr ruhe hatte als zuhause, als ‚macher‘, hatte ich die ruhe, mich mehr mit inhalten auseinanderzusetzen. ich las die papiere, die später die grundlage unserer einschätzung der herrschenden hochschulpolitik als die grundlegender richtungsentscheidungen bildeten. ich verschaffte mir sozusagen die inhaltliche grundlage für die arbeit, die schließlich im bildungsgifel ihren höhepunkt fand.
auf dieser basis ist es sehr schwer, neue ideen zu entwickeln. ich brauche mehr freiraum zum nachdenken. deshalb habe ich die diplomarbeit auch immer als chance empfunden, drei monate inhaltliche arbeit ohne über finanzen, büros, satzungen, organisationspläne, etc. nachdenken zu müssen. deshalb vielleicht auch meine idee, etwas zum verhältnis von hochschulreform und hochschulgesetzgebung zu machen.
sicher ist es wichtig, daß ich denke da einen guten prof zu finden, weil es in recht passt und sicher auch, daß es an meinen job der letzten jahre anknüpft. aber es ist auch, daß hochschulrecht im der hochschulpolitik einen immer wichtigeren, immer mehr die hochschulsituation bestimmenden charakter bekommt. die bürokratie wird sozusagen mehr und mehr zum bestimmenden subjekt, die hochschulangehörigen immer mehr zum objekt der ‚verordneten reform‘.
für die professorInnenschaft ist das eine offene konfrontration der sie teilweise sehr defensiv und wenig erfolgversprechend („ohne mich haltung“, die aber nicht dazu führt, daß es nicht nicht läuft, sondern daß es letztendich eben ohne sie läuft), teilweise aber auch offensiv mit einer mischung aus anpassung an den neuen trend und ständischem verteidigen ihrer pfründe begegnen (konzept der hochschulrektorInnenkonferenz zur entwicklung der hochschulen in deutschland).
für die politisch aktiven, reformorientierten studentInnen (meist ‚linke‘ studentInnen, wenngleich diese klassifizierung problematisch geworden ist) bietet die kräfteverschiebung zwischen der hochschularistokratie und den bürgerlichen bürokratien paradoxerweise chancen, teile ihrer reformideen durchzusetzen (zumindest sieht es hin und wieder so aus). das ist aber vielleicht gar nicht so paradox, weil die veränderung von machtverhältnissen immer chancen bietet.
das verhältniss von hochschulreform und hochschulgesetzgebung bietet deshalb die möglichkeit, gerade heute, für unsere gesellschaft sehr grundlegende prozesse zu untersuchen, es ermöglicht die positionierung gesellschaftlicher gruppen, letztenlich auch – vielleicht nicht in, aber unter umständen in folge der arbeit – ihre einordnungen in einen grundlegend gesellschaftsverändernden prozeß.
im ateneum-museeum betrachte ich albert edelfelt: kinder spielen „of the shore“, 1884. die finnische malerei ist längst nicht so romantisch wie die norwegische. mehr realismus der später surreal-expressionistisch wird. drei jungen spielen auf kleinen felsbrocken mit kleinen segelschiffen. links im hintergrund sieht mensch die großen, die fast schon aus dem bild fahren, teilweise auch mit dampf betrieben. die atmosphere ist grau, wenngleich die körper der jungen deutlich von sonne bestrahlt werden, die sich auch im meer wiederspiegelt. inseln und wälder im hintergrund.
ein junge bewegt sein schiff mit einem stock, sicher auf einem felsbrocken hockend. ein zweiter, in weißem hemd das ihm weit über die hüften reicht, hält sein schiff noch in der hand. der dritte steht im wasser, schaut zu und hat kein schiff. er hat dem betrachter den rücken zugewand. für die jungen ist das meer ein spielraum. sie beherrschen die bewegung der objekte, sind sicher in der ihnen gewohnten umgebung. die realität der großen schiffe ist ihrer wirklichkeit weit entfernt. eines tages werden sie vielleicht auf den großen schiffen arbeiten, dann wird ihre wirklichkeit eine andere sein, geprägt von zwängen und hierarchien. die freiheit der kindheit wird erinnerung sein und bleiben. vielleicht ein traum.