August 14

stockholm

ich verbringe einige tage in stockholm, schlafe auf einem alten raseg­ler, fahre auf aussichtstürme, besuche das kulturhuset und die „längste ausstellung der welt“ in den stationen der tunnelbahn.

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dias von der nordsee und skandinavien im sommer 1993 bei flickr >>

in stockholm angekommen komme ich am morgen 10 minuten zu spät zur wunderbar gelegenen jugendherberge „af chapman“, auf einem alten rasegler gekommen, alles belegt. ärger. habe dann einen sechs kronen teureren platz in einem mieserem sleep-in gefunden, aber der ärger blieb erstmal. hätte ich am bahnhof nicht soviel getrödelt, …

dann bin ich los, in die stadt. der vorteil etwas weiter draußen zu sein, wurde mir dabei schon schnell auf­grund der preise im supermarkt klar. die dort für fünf kronen gekauften nektarinen begegneten mir auf dem weg ins zentrum erst für zehn und später für fünfzehen kronen wieder.

zwischen „clock“, was wohl das schwedische mc do­nalds ist, einkaufzone und cityverkehr bin ich dann hier auf das „kulturhuset“ gestoßen. mehrere cafeterien, theater, studios, galerien, eine bibliothek, eine arbeits­vermittlung für kulturschaffende und trampolin, die be­rufsberatung für die, die es werden wollen.

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die atmosphere des hauses erinnert ein wenig an den palast der republik der ddr. natürlich nicht so pompös, aber eben ein offenes und großes haus der kultur.

der palast ist etwas, was ich vermisse aus der alten ddr. sie war vielleicht ein wenig wie norwegen eine ‚wir‘-gesellschaft, wenn auch eher gezwungener maßen, wie sie auf dauer nicht funktionieren konnte. diese verknüpfung von gleichen rechten und anpas­sung. ein teil dieser gleichheit war sehr wohltuend und ist heute kaum noch spürbar.

aber eben auch vergangenheit. wie so vieles. erinne­rung, erfahrung vielleicht, aber keine grundlage für neues gestalten. ich bin gespannt auf schweden. auch so eine ‚wir‘-ge­sellschaft? ich kaufe einen kaffee, will ich weitere, so sind sie umsonst. so scheint es hier üblich zu sein.

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am zweiten tag bekomme ich dann  habe ein bett auf der „af chap­man“, die sonne scheint und ich besuche der kaknäs-aussichtsturm. mensch hat von hier aus eine sehr gute sicht auf die ganze stadt und ihre umgebung, das meer ist aller­dings noch zu weit weg. ich bin gespannt, wie lange es übermorgen dauern wird, bis ich die baltische see er­reiche, wenn ich mit dem schiff nach finnland starte. die finnen sind anders als die schweden und die nor­weger, meint der kellner, schweigsamer. sie müssten zwar englisch oder deutsch in der schule lernen, aber wenn sie hierher kämen, brächten sie kaum ein wort heraus.

die atmosphere hier ist schöner als zwei etagen höher, wo die masse der touristInnen plastiktassen mit kaffee schlürft, fotografiert und sich auf die füße tritt. hier kann mensch sitzend die aussicht genießen, es ist ruhig und der gesprächige kellern ist inclusive. er gibt mir ein „lagrad gammel brygd“ aus, ein spezielles bier, im no­vember ’91 wurde es eingelagert in schwarze flaschen. es wird überhaupt nur einmal im jahr gebraut und schmeckt etwas wie guiness, etwas süßer, aber lange nicht so süß wie kilkennys.

das erste bier, seit dänemark. so wichtig ist alkohol mir nicht, daß ich die staatspädagogischen phantasie­preise (glas bier ca. 8-10 mark, flasche wodka ca. 100 mark) hier in skandinavien dafür zu zahlen bereit wäre. ich vermisse es eigentlich wenig. hin und wieder hätte ich lust, auf ein erfrischendes bier, weniger wegen des alkohols sondern eher wegen des leicht prickelnden, herben geschmacks.

von hier oben schaut mensch auf einen park, das grüne leuchten des rasens wird immer wieder von den schatten der wolken durchbrochen, aber seine wirkung wird gerade duch diesen kontrast recht intensiv.

das hier alles teurer ist, daran hatte ich mich ja schon gewöhnt. aber das ich für zwei fujicrome-filme hier umgerechnet 42 mark (sonderangebot!) hinblättern muß, wofür ich in deutschland fünf bis sechs filme be­komme, finde ich schon ganz schön hart.

na ja, ich will mir meine gute laune nicht vom schnö­den mammon verderben lassen. gestern war ein sehr langer tag. nachdem ich morgens ja schon um 6.30 uhr aufgestanden war, um ein bett „af chapman“ zu bekommen, habe ich, nach dem besuch der türme (käknes- und rathausturm) – die gestern, im sonnen­schein, zu starten sehr weise war, da es jetzt schon wieder regnet – und nach dem besuch des strindberg-museeums, eine „t-bahn“ (tunnel-bahn) tour gestartet. mehr als zwei-drittel der ca. 100 stationen sind nämlich hier von künstlern gestaltet. von eher dekora­tiven be­sonderen kacheln, über bilder an den wänden bis zu kompletten enviroments in die die gestaltung der wände, der decken und böden, der gebrauchsgegen­stände, etc. einbezogen ist.

eine station mit alten säulen, pflanzen, skulpturen aus stein, eine andere mit modellen schwedischer häuser, eine dritte – der filmkunst gewidment – mit fotos, requi­siten, etc. aus schwedischen filmen. ca. sechs bis sieben stunden habe ich da unten ver­bracht, weit mehr als 100 km zurückgelegt, in der „längsten ausstellung der welt.“

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sehr spät, für eine urlaubsverhältnisse, um 1.30 uhr bin ich dann erst ins bett gekommen und habe – zum er­sten mal seit fünf wochen wieder in einem richtigen bett – hervorragend geschlafen.

eben habe ich mein ticket für helsinki gebucht, morgen früh eine tagesfahrt mit der fähre nach turku und von dort mit dem zug nach helsinki.

ich denke, auf dem schiff werde ich wieder etwas mehr ruhe finden, ausspannen, nachdenken. heute will ich noch in kunstausstellungen und auch heute abend beim beitrag taiwans zur „weltmeisterschaft der feuer­werke“ etwas ausspannen. aber im moment treibt es mich noch weiter durch die straßen von stockholm.

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thomas molck

Veröffentlicht14. August 1993 von xthomas in Kategorie "se stockholm

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