christopher street day
im juni 1998 fahre ich zum csd nach berlin.
samstag, 27. juni 1998, 10.40 uhr. mein ice fährt nach fünfeinhalbstündiger fahrt in den bahnhof zoo ein. schon im und vor dem bahnhof treffe ich kleine gruppen mit regenbogenfahnen. ich laufe zum kudamm, wo die wagen für die parade aufgestellt sind. überall schwule und lesben in leder, drag queens, kurzhaarige jeanstypen, …
sie tanzen zu den techno-ryhtmen, die von den lkw’s hämmern. langsam setzt sich der zug in bewegung, immer wieder steht er. die meisten tanzen hinter „ihrem wagen“ her, wobei die auswahl des wagens eher von der musik bestimmt ist, als von irgendwelchen inhalten.
ich laufe eine zeit lang mit dem wagen des sensoriums, einem berliner pflegedienst. der wagen hat wenigstens einige forderungen auf seine transparente gedruckt. zum beispiel die anerkennung schwuler und lesbischer lebensweise als asylgrund oder keine kriminalisierung der am 1. mai im zusammenhang mit der anti-npd-demo in leipzig festgenommenen schwulen und lesben.
von dem wagen kommt schlagermusik statt techno. auf ihm legen zwei langhaarige dj auf, hübsche jungen tanzen, lächeln und werfen lutscher und kondome in die menge.
es macht spaß, hier mitzulaufen.
es geht über den kudamm durch charlottenburg zur siegessäule. auch ich laufe hinauf um zu sehen, wie sich die wagenkolonne vom kudamm bis zum brandenburger tor zieht.
als ich wieder unten ankomme, bin ich fast am ende des zuges. hier scheinen sich die politischeren wagen zu häufen. erst bündniss 90/die grünen, später schwuz (schwulenzentrum in kreuzberg) und pds.
auf dem wagen der pds stehen auch nette, pds-flaggen schwenkende, jungs, aus den lautsprechern tönt ton steine scherben und niemand läuft hinterher.
und es regnet.
erst später, als zwei gogo-boys auf dem wagen strippen mehrt sich das fußvolk hinter dem wagen. ich laufe mit der pds unter dem brandenburger tor her. der regen hat zum glück aufgehört. unter den linden ist die parade dann nach fünf stunden zuende.
hier sollen auf einer kundgebung die csd-forderungen verkündet werden. „für eine andere politik — wir fordern gleiche rechte“. gefordert wird unter anderem das zeugnissverweigerungsrecht, besuchs- und entscheidungsrecht im krankheitsfall bei schwulen und lesbischen paaren, das aufenthalts- und arbeitsrecht für ausländische partnerInnen, die abschaffung des ehegattensplittings, das adoptionsrecht für schwule und lesben und die anerkennung von schwulen- und lesbenverfolgung als asylgrund. schon etwas mehr als das motto des disjährigen kölner csd: „homo-ehe jetzt“.
aber ich spare mir die kundgebung mit reden von volker beck und anderen und fahre nach kreuzberg zur linken fortsetzung des csd.
hier filzen die bullen meine tasche vor dem oranienplatz. ein gutes zeichen. hier konzentrieren sich viele zottels der großen parade. statt 300.000 sind es nur noch ein paar hundert, aber die wissen, warum sie hier sind. dies ist keine parade sondern eine demonstration sagt dann auch die moderierende drag queen selbstbewust. sie weißt auf dem demoweg zum heinrichplatz auf bedeutende stätten schwul-lesbischer geschichte hier in kreuzberg hin.
hier kommen zu den forderungen des großen csd unter anderem noch forderungen gegen die vertreibung „unerwünschter“ aus den innenstädten, gegen den § 129 und direkt gegen den berliner innensenator schönbohm. die forderungen werden auf dem heinrichplatz in deutsch und türkisch vorgetragen.
später findet im so36 die 100% umsonst party statt. party für alle statt der 25 marks gala des offiziellen csd in der kulturbrauerei.