re:publica
Ich bin auf der re:publica in berlin. es tut gut, mal wieder auf einem kongress zu sein und hier einen teil dessen, was sonst im netz vor allem zu erleben ist, wenn man allein vorm monitor sitzt, mal live zu erleben und die menschen dahinter zu sehen und zu hören. auch wenn ich inhaltlich hier bis jetzt nicht sooo viel neues gehört habe 🙂
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auf dem weg zum friedrichsstadtpalast treffe ich axel zufällig schon am bahnhof friedrichstrasse und wir hören uns gemeinsam die vormittagsvorträge im grossen saal an. am anfang steht der bundesdatenschutzbeauftragte, peter schaar. auch nach seinen aussagen ist der datenschutz bei uns eher zahnlos, gerade mal 900 euro musste die bank zahlen, der cd’s mit persönlichen kontodaten abhanden gekommen ist und auch datenschutzbeauftragte können aktivitäten, die den datenschutz verletzen nicht verbieten. selbst der staat hält datenschutzbestimmungen nicht ein, beim online verfahren zur abwrackprämie gab es zum beispiel nicht die vorgeschriebene vorprüfung und im verfahren etliche verletzungen des datenschutzes.
im zweiten vortrag geht es um die persönlichen daten, die oft freigiebig und umfangreich in sozialen netzwerken preis gegeben werden.
jan schallaböck bezeichnet die betreiber von social network betreiber als „mighty government“, das nach den prinzipien von „surveillance & domination“ regiert: accounts können bei facebook z.B. gelöscht werden, wenn kein realname angegeben ist, sie bestimmen alle ‚gesetze‘ (nutzungsbestimmungen), sie haben einen geheimen generalschlüssel zu allen räumen (d.h. die betreiber können alle inhalte lesen) und sie können ihre user verkaufen. studiVZ wurde mit einer million user für 100 millionen euro an holtzbrink verkauft. wo also sind meine 100 euro?
prof. hendrik speck aus kaiserslautern z.b. kritisiert, dass daten in den netzwerken nicht – wie es eigentlich grundsätzen des datenschutzes entspräche – nur für einen bestimmten zweck und eine begrenzte zeit gespeichert werden. dabei frage ich mich allerdings, kann es vielleicht sein dass nutzer sozialer netzwerke infos gar nicht nur für einen zweck und begrenzte zeit speichern wollen.
alternativen sehen die vier entwickler und wissenschaftler aus kaiserslautern in möglichen alternativen durch eine sinnvolle nutzung offener standards, verschlüsselung und signierung, was sie unter anderem mit ihrem projekt HelloWorld verwirklichen wollen.
am nachmittag gibt es in der kalkscheune verschiedene workshops in verschiedenen räumen, aber wir sichern uns einen couchplatz mit strom und sporadisch auch internet im grossen saal, in dem vor allem vorträge des tracks „Internet & Ethik“ der aktion mensch stattfinden. es geht um digitale identität im netz, vor allem im kontext der blogosphäre und sozialer netzwerke. für tina günther zum beispiel ist die online identität kein zweites virtuelles leben sondern eine erweiterung des realen lebens. dabei ist diese online identität nicht nur die summe der onlineinhalte sondern eine eigene kreative tätigkeit und soziale praxis.
das bestätigt sich auch im podium aufgewachsen mit dem netz mit den jugendlichen christopher koch und timo heuer bloggern und der lehrerin lisa rosa, die von ihren erfahrungen berichten. lisa rosa stellt danach noch in einem vortrag die neue netzorientierte lernkultur dem alten, eher linearen, monomedialen lernen in kausalketten gegenüber, von dem schule auch heute noch weitgehend geprägt ist. eine alternative bot hier schon die reformpädagogik, die sich allerdings auch eher technikfeindlich verortet hat. sie sieht nun z.b. eine aufgabe darin, diese idee mit der neuen netzorientierten lernkultur zu verbinden. eine forderung, die mir aus der sicht der medienpädagogischen diskussion um handlungsorientierung und aktives lernen schon wie ein alter hut vorkomme, es aber vielleicht gerade im schulischen kontext eben noch nicht ist.
da am nachmittag viele workshops gleichzeitig stattfinden, bekomme ich andere interessante themen nur am rande mit, wie den workshop zu open source film, den workshop zu feministischer netzkultur, in dem u.a. das projekt maedchenmannschaft.net in dem aus feministischer perspektive gebloggt wird thema ist, ein anderer workshop zum projekt OpenStreetMap, in dem mittlerweile die pläne der meisten deutschen stätdte als freie inhalte verfügbar sind, oder der workshop das egoistische mem in dem sehr unterhaltsam aber auch etwas philosophisch über die ausprägung der meme – einer so bezeichneten „Grundeinheit menschlicher Kultur und Intelligenz“ – im internet gesprochen wurde.
einen ebenfalls äußerst unterhaltsamen, beeindruckenden und vom publikum sehr euphorisch aufgenommenen vortrag am abend gab es dann von lawrence lessig, einem der protagonisten von creative commons darüber, „what free culture is teaching politics, business, and culture about how creativity flourishes“. er zeigt schöne beispiele von remixed video- und musik-inhalten die durchaus kulturell bereichernd sind aber eben auch copyright verletzend. er fordert, dass mindestens der remix von inhalten von amateuren immer erlaubt sein, es beim commerziellen reinen kopieren vermutlich copyright regelungen geben müsse. aber auch beim reinen kopieren fordert er ein ende der kriminalisierung der privaten kopie, denn letztendlich seinen die „pirates“ unsere kinder.
später bekam ich dann in einem workshop noch einen praktischen eindruck des ersten deutschsprachigen projektes in teen secondlife (www.cyberland.org) von michael lange, der auch einen beitrag dazu im gerade von mir für socialnet rezensierten buch „Web 2.0. Jugend online als pädagogische Herausforderung“ geschrieben habe (erscheint in den nächsten tagen). die jugendlichen kommen hier vor allem übers netz aus den verschiedensten regionen zum projekt, weil eine seite die dorthin führt bei google mit dem begriff „jugendchat“ ganz oben gerankt ist.
schliesslich endet der tag mit kultur, der Monochrome Show – Vitaloase Bad Kratschmach (2.0) von johannes grenzfurtner aus österreich und einer twitterlesung
insgesamt schon ein netter tag, morgen kommen noch internationale stargäste am morgen und weitere workshops am abend. ob ich dazu noch was schreibe hängt davon ab, ob ich’s interessant genug finde, ob ich die zeit habe und ob’s netz gibt. was nämlich wirklich nervig und bei so einem kongress absolut nicht nachvollziehbar ist, dass das wlan hier total unzuverlässig ist, einfach nur sporadisch und dann schlecht funktioniert.