durch dänemark nach norwegen
mit dem zug geht es von sylt nach flensburg und weiter nach hirtshals an der nordspitze dänemarks und von dort mit der fähre über das skagerak nach norwegen
dias von der nordsee und skandinavien im sommer 1993 bei flickr >>
zunächst nach flensburg und dann von dort mit dem zug nach dänemark. der zug fährt in padborg ein. ein kleiner grenzbahnhof nicht weit von flensburg. die deutschen grenzer steigen aus. eigentlich kaum ein unterschied zu irgendeinem westdeutschen kleinstadtbahnhof. ob der unterschied in norwegen größer ist?
unweit von mir sitzen drei hübsche jungen, machen faxen, legen sich aufeinander, reden miteinander. ich verstehe sie nicht, doch ich erkenne etwas von jugend in ihrem tun. so eine richtige jugend habe ich nie gehabt und irgendwie fehlt sie, glaube ich. einer der drei küßt einen anderen. natürlich sind sie nicht schwul. sie spielen. aber steckt in dieser spielerischen sublimierung nicht auch ein stück verarbeitung. keine verarbeitung ihrer homosexualität, der werden sich sich dadurch nicht bewust, aber eine verarbeitung des umgangs mit menschlicher nähe. auch wenn sie das erfahrene später heterosexuell ausleben, so ist es doch erfahren. es fehlt, wenn es nicht erfahren wurde.
mit dem zug geht es bis nach hirthals an der nordspitze von dänemark. hirthals ist nett. fast eine halbinsel, sehr hohe dünen, fast schon kleine felsen, geröll und große steine am strand, bunker in den dünen, wenig menschen, keine zäune, ein fischerei- und fährhafen, ein leuchtturm, … gut für spaziergänge, zum nachdenken, die gedanken schweifen lassen, weit ins skagerrak, …
ich habe mir wieder vorgenommen das kapital zu lesen. in welcher entwicklungsstufe leben wir. müssen wir nicht die entwicklung der kapitalistischen gesellschaft vorantreiben, weil sich nur so die produktivkraftentwicklung – der motor der geschichte – vorantreiben läßt? brauchen wir diesen motor nicht für jede entwicklung, also auch für die emanzipation von fremdbestimmung, die befreiung?
und wo ist mein ort in dieser entwicklung? ich glaube, dies ist keine zeit für bewegung sondern die zeit für theorie. in der hochschulpolitik habe ich gelernt, daß bewegung sich nicht entfachen läßt. mensch kann sich nicht ‚aufbauen‘. sie entstehnt in bestimmten historischen situationen. das ist ‚im großen‘ sicher ebenso. mensch kann nur immer versuchen, optimale bedingungen für bewegung zu schaffen, damit sie, wenn sie entsteht, nicht aktionistisch ins leere läuft. von hirthals geht es mit einer fähre der colorlines über das skagerak nach norwegen. auf der sechstündigen überfahrt durch die nacht habe ich sehr gut geschlafen auf einer couch des conferenzcentrums („nur für tagungsteilnehmer“), umsonst, während andere für einen „pullmann sessel“, einen besseren bussessel 30 kronen bezahlten. neben mir pennten in der lobby des ‚conferenz-zentrums‘ noch einige motorradfahrerInnen aus deutschland. motorradfahren durch skandinavien wäre ja auch reizvoll, oder mit dem fahrrad. gut bis zum nordkap wären es von hier noch knapp 3000 km, aber ich könnte ja mit dem zug erstmal in die interessanteren gegenden und dann mit dem fahrrad los oder das nordtourist-tiket mit dem fahrrad kombieren, …